Early Piano Works [c. 1867–1875]

In unseren Schwatzstunden erzählte mir Gustav manches aus seiner Kindheit. Das erste, was er mit 6 Jahren komponierte und zu Papier brachte, war eine Polka, wozu er einen Trauermarsch als Einleitung schrieb. Er tat es auf das Versprechen seiner Mutter, 2 Kronen dafür zu bekommen, woran aber noch ganz besonders die Bedingung geknüpft war, es dürfe das Papier nicht verklext sein. (Im Klexen war unser Gustav nämlich groß!) Er betete daher, ehe er an die Arbeit ging, zu Gott, daß er ihn keinen Patzen machen lasse und war nun überzeugt, Gott werde ihn davor bewahren. So tunkte er die Feder höchst herzhaft und ohne jede Vorsicht ein – hatte ohnedies ein Sicherheits-Tintenzeug zur Vermeidung der ärgsten Schäden – aber, o weh, bei den allerersten Noten schon fiel ein Riesenpatzen, daß das schöne Papier und alle Vorbereitungen zum Anfang vertan waren, und der kleine Schmierfink von Neuem beginnen mußte. „Mein Gottesglauben aber erlitt damit einen erheblichen Stoß", schloß Gustav lachend.

In our hours of chat Mahler told me a lot about his childhood. The first [thing] he composed and committed to paper, at the age of six, was a Polka for which he wrote a funeral march as an introduction. He did it to earn 2 Kronen on a promise from his mother – to which the condition was very specifically attached that the paper should not be blotted. (Our Gustav was very good at blotting!) Before he started work he therefore prayed to God that He would not allow him to make any blots, and was convinced God would protect him from that. He thus dipped his pen very boldly and – having moreover [chosen] an indelible ink – without any precaution  for the avoidance of the worst mischief. But, oh dear, at the very last notes a giant blot fell, so the beautiful paper and all the efforts from the start were wasted, and the little blotter had to start all over again. Laughing, Mahler concluded ‘with that my belief in God suffered a considerable blow.’

...So kam Gustl zu dem damaligen Theaterkapellmeister von Iglau mit namen Viktorin. Bei diesem lernte er Klavier spielen und vermutlich auch Harmonielehre und machte ganz kolossale Fortschritte. Bald fing er zu komponieren an (etwa sieben bis acht Jahre alt) und komponierte unter anderem auch eine Hymne, die Gustl zu Ehren des damaligen Bürgermeisters von Iglau Loipold v. Lövenfeld, der auch eine Buchhandlung in Iglau besaß, in einer Pause im Theater auf einem von meiner Großmutter beigestellten neuen Flügel einer Wiener Firma spielte. Ich glaube, das war wohl das erste öffentliche Auftreten Gustav Mahlers und sein erster Applaus. Auch im Hause meiner Großeltern spielte Mahler jun. viel auf dem neuen Flügel, wobei er nicht nur Märsche und Tänze, sondern auch classische Musik spielte und viel improvisierte.

 ... Thus Gustl went to the then conductor of theatre music at Iglau by the name of Viktorin. With him he learned to play the piano and probably also harmony, and made tremendous progress. He soon began to compose (around seven to eight years old) and composed, among other things, a hymn that Gustl played in honour of the then mayor of Iglau, Loipold v. Lövenfeld,² who also owned a bookstore in Iglau, played during an interval in the theatre on a new grand piano provided by my grandmother from a Viennese company.³ I think that was Gustav Mahler's first public appearance and his first ovation. Mahler junior also often played on the new piano in my grandparents' house, where he performed not only marches and dances, but also classical music and improvised a lot.

Später komponierte ich dann schon fleißiger aus eigenem Antrieb: eine Klavier-Violin-Sonate, eine Nocturne für Cello; für das Klavier alles mögliche, und endlich eine Oper, zu der eine Schulkollege den Text mit mir schrieb. Auf Grund dieses Bruchstückes (denn ich kam nie dazu, sie zu vollebden) wurde ich später am Wiener Konservatorium von Hellmesberger (diesem Schaf) mit Überspringen von Harmonielehre und Kontrapunkt zu meinem größten Schaden in die Kompositions-Klasse aufgenommen.

Later I certainly composed more diligently on my own initiative: a piano-violin sonata, a nocturne for cello; everything possible for the piano, and finally an opera for which a school colleague wrote the text with me. Later, on account of this fragment (for I was never able to finish it), at the Vienna Conservatoire, to my great disadvantage, I was allowed by Hellmesberger (that dolt) to join the composition class having skipped harmony and counterpoint.

[...ich kann nur hinzusetzen, daß es noch einen kleinen Kampf kosten wird, den l. Vater zur Übereinstimmung mit uns in Betreff unseres Projektes zu bewegen, obwohl er freilich sich schon ziemlich zu unserer Seite hinneight; doch ist er noch immer nicht eins mit sich....Der l. Vater fürchtet bald, daß ich mein Studium vernachlässigen oder unterbrechen würde, bald wieder, daß ich durch schlechten Umgang in Wien verdorben werden könnte; und wenn er auch, wie es mir scheint, sich zu unserer Seite hinneigt, so müssen Sie doch bedenken, daß ich im Kampfe gegen die Übermacht so vieler „verständiger . gesetzter Leute” ganz allein auf mich angewiesen bin.

...I can only add that it will still be something of a struggle to induce my dear father to agree to our plan. He is showing signs of coming over to our side, but he is still not quite won over....My dear father has two fears: one, that I might neglect or interrupt my studies, and the other, that I might be ruined by getting into bad company in Vienna; and even when he seems to be inclined to our side you must remember that I am entirely alone and have only myself to rely on in my struggle against the superior power of so many 'reasonable and mature people'.

Herr Schwarz traf püktlich mit dem jungen Mahler zusammen, sie fuhren nach Wien und hier suchten sie sofort Professor Epstein auf. Der Professor wohnte aber in Baden und Herr Schwarz fuhr mit seinem Schützling dahin, um den jungen Menschen sogleich fachmännisch beurteilen zu lassen. „Ich erkannte sofort die eminente Begabung Mahlers,” sagte  Herr Schwarz „als ich zu Professor Epstein kam, war er gar nicht entzückt, das Klavierspiel Mahlers imponierte ihm nicht. Erst als Mahler eigene Kompositionen zum besten gab, wurde Epstein warm, erklärte ein über das andermal, die Sachen seien direkt ‚wagnerisch’und fragte mich, warum ich ihn denn nicht telegraphisch nach Wien berfufen habe.”

Herr Schwarz met young Mahler as agreed, and they made the journey to Vienna, where they immediately called on Professor Epstein. But the Professor was then living out at Baden, so Herr Schwarz took his protégé there in order to get an expert opinion of him without delay. 'I recognized Mahler's outstanding gifts at one,' said Herr Schwarz; 'but when I came to Professor Epstein, I found him anything but delighted, for Mahler's piano playing did not impress him at all. It was only when Mahler played him some of his own compositions that Epstein showed any enthusiasm and said over and over again that there were in direct descent from Wagner, and asked me why I had not sent him a telegramme asking him to come to Vienna.'

„Ich weiß mich noch sehr gut des Tages zu erinnern — erzählte Professor Eptein —, an dem der Vater Gustav Mahlers zu mir ins Konservatorium kam, sich mir als Herr Mahler aus Iglau vorstellte und mich bat, seinen Sohn zu prüfen, ob er Talent genug hätte, sich der Musik zu widmen. Ich fragte den Vater, ob der junge Mann — Gustav Mahler war damals kaum fünzehn Jahre alt — begeisterung genug für die Musik zeige, worauf mir Herr Mahler sagte: ‚Gewiß. Ich aber möchte, daß er die Handelsakademie in Wien besucht, um später einmal meine Spiritusfabrik zu übernehmen.’ ,Ich soll also über seine Zukunft entscheiden', sagte ich. ,Das ist eine Gewissenssache und nicht so leicht als Sie glauben. Nun, ich werde es versuchen.' Ich forderte Mahler auf, sich ans Klavier zu setzen, um mir etwas vorzuspielen. Er hatte damals schon Verschiedenes komponiert, wie er sagte, ohne vorher Studien gemacht zu haben, und ich ersuchte ihn, mir eine seiner Kompositionen vorzutragen. Ich ließ ihn kaum wenige Minuten spielen; die Komposition war unfertig, und er hat sie später selbst vernichtet. Aber ich empfand sofort, daß ich den geborenen Musiker vor mir hatte. Das sagte ich auch dem Vater und setzte hinzu: ,Der wird Ihre Fabrik nicht übernehmen.' Kurz darauf wurde Mahler Schüler des Wiener Konservatoriums, nahm Klavierunterricht bei mir und studierte Theorie bei Professor Krenn...”

'I very well remember the day,' said Professor Epstein, 'when Gustav Mahler's father came to see me at the Conservatoire, introduced himself as Herr Mahler from Iglau, and asked me to examine his son; he wanted to know whether the boy had enough talent to make music his career. I asked the father if the young man — Gustav Mahler was then barely fifteen — had shown enough enthusiasm for music. "He certainly has," Herr Mahler replied. "But I would rather he went to the Commercial School in Vienna so that he can take over my distillery later on." "That is as much as to say that you want me to decide his future," I said, "and that is a matter of conscience, and not as easy as you seem to think. Well, I'll do what I can." I asked Mahler to sit down at the piano and play me something. He had already composed several things, so he said, without any previous training, and I asked him to play me one of his own compositions. I let him play for only a few minutes; the composition was immature, and later on he destroyed it himself. But I realized immediately that I was in the presence of a born musician. I told his father so and added, "That young man will never take over your distillery." Mahler became a pupil at the Vienna Conservatoire soon afterwards, where he was taught the piano by myself and theory by Professor Krenn ...'